Leerstand und Potenziale in ländlichen Räumen

Leerstand und Potenziale in ländlichen Räumen: Kompostwoche Bad Wildungen

Mitte August reiste Inga Ganzer für eine Woche nach Bad Wildungen in Nordhessen. Dort fand die Werkstattwoche für emanzipatorische Ländlichkeiten des Kompost Ensembles statt. Eine wunderbare Gelegenheit, Bildungsurlaub und Vernetzung zu verbinden.

In der Woche tauschten sich die Teilnehmenden dazu aus, wie zukunftsfähiges Leben in ländlichen Räumen gestaltet werden kann. Neben Themen wie Mobilität, solidarische Landwirtschaft, Kultur und queere Netzwerke im ländlichen Raum ging es auch um Leerstand und Wohnangebote im Alter.

Die Kleinstadt Bad Wildungen lebt an erster Stelle vom Kurbetrieb und den zahlreichen Fachkliniken. Sie ist geprägt von einer besonderen zweigeteilten Struktur: Während die malerische Fachwerkaltstadt mit dem Verfall der Bausubstanz und dem Erhalt von Einkaufsangeboten kämpft, scheint der Bereich des Kurbetriebs mit Museen, Gastronomie und Grünanlagen noch weitgehend zu funktionieren. Nichtsdestotrotz findet man auch hier „Lost places“ in größerem Ausmaß. Das Schwimmbad Helioponte, das Kurhaus und die Klinik Parkhöhe stehen leer.

Industriellen Leerstand beleben

Vor diesem Hintergrund beschäftigte sich die Arbeitsgruppe „Wohnen und Leerstand“ mit dem ebenfalls seit einigen Jahren ungenutzten Schlachthof. Das Backstein-Ensemble steht unter Denkmalschutz und befindet im Besitz der Stadt, die Interesse an einer Weiternutzung hat und auch eine Machbarkeitsstudie in Auftrag gegeben hat. Bei einer Begehung staunten die Teilnehmenden über schöne hohe und gut belichtete Räume, aber auch über kuriose Hinterlassenschaften und die noch sichtbare Technik des Schlachtbetriebs. Durch die Nähe zum Stadtkern und Bahnhof hat das Gelände durchaus großes Potenzial.

Die spontane Idee, passend zum Kurbetrieb eine Ausbildungsstätte für Gesundheits- und Pflegeberufe zu errichten, um junge Menschen in der Region zu halten, war schon einmal in der Stadt aufgekommen und konnte aus verschiedenen Gründen nicht umgesetzt werden. Es wurde deutlich, dass es in solchen Projekten immer ein starkes, gemeinsames Engagement von vielen Seiten braucht, um Ideen in die Realität zu bringen.

Aufgrund von kleineren Umfragen in der Bevölkerung und im Zuge des Austauschs mit den Akteuren der Gemeinde kam in der Woche schnell der Bedarf nach bezahlbarem Wohnraum selbst in einer ländlichen Kleinstadt wie Bad Wildungen in den Fokus. Gleichzeitig erscheint die Stadt für Jugendliche wenig attraktiv – es gibt wenige Angebote und in der Regel ziehen junge Menschen nach der Schule weg. So entstand in der Gruppe unter anderem die Idee, gemeinschaftliches Wohnen für Senioren und Auszubildende der Pflegebranche auf dem Gelände anzusiedeln: Mit Microapartments in ökologisch errichteten Neubauriegeln und gemeinsam genutzten Räumen im zentralen Gebäude, Freizeit- und Kulturangeboten sowie frei zugänglichem Außengelände für die Öffentlichkeit. Das dies jedoch ein weiter Weg ist, diskutierten die Teilnehmenden in den Workshops auch Ansätze, wie der Leerstand zunächst in das Bewusstsein der Bevölkerung gebracht und das Gelände zwischenzeitlich belebt werden kann.

 

Leerstand und Potenziale in ländlichen Räumen: Kompostwoche_BadWildungen

Zwischennutzung strukturiert angehen

Wie wäre es, wenn das Hauptgebäude zunächst nur aufgeräumt und gesichert, ggf. von neuzeitlichen Anbauten freigeschält würde? Temporär könnten in Einzelveranstaltungen die Räume für künstlerische Installationen genutzt werden (Stichwort „Außenstelle documenta“). Für die Öffnung des Geländes für die Bevölkerung werden die Grünflächen gepflegt und das Gelände für Märkte, Außenveranstaltungen und ggf. Urban Gardening angeboten. Die Nebengebäude würden so weit hergerichtet, dass sie günstig an Kunsthandwerker*innen und Künstler*innen vermietet werden können. Die Nutzenden verpflichten sich im Gegenzug, das Gelände in Ordnung zu halten. Die aktuelle Nutzung durch Busunternehmen und Bauhof kann weiter gewährleistet werden.

Die Gedanken und Ergebnisse wurden in einer Abschlussveranstaltung im „Theater am Bunker“ ausgestellt – ein weiterer temporär genutzter Leerstand in Bad Wildungen, der mit Problemen der Bausubstanz kämpft, aber immerhin längere Zeit kulturell genutzt wurde. Das Theater wird demnächst umziehen, das Gebäude findet hoffentlich eine neue Zukunft.

Leerstand und Potenziale in ländlichen Räumen: Kompostwoche_BadWildungen

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